Wachsendes Wissen

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Alles bleibt, aber anders

Möglichkeitsraum statt Bauschutt. Im Bild: Handelszentrum 16 in Bergheim, Salzburg. Umgeplant vom Architekturbüro smartvoll. Foto: Dimitar Gamizov

Leerstand: eine unerwartete Reise

Bevor wir über die Bedeutung von Leerstand und seine Aktivierung nachdenken, würden wir gerne die Antithese skizzieren: Wie sähe eine Zukunft ohne Leerstandsaktivierung aus? Anhand dieses Szenarios wird man sehen, dass die Aktivierung von Leerstand ein bedeutender Auslöser von Konsequenzen ist, die unser zukünftiges Leben auf diesem Planeten entscheidend beeinflussen. Beginnen wir also unser Gedankenmodell:

Wenn wir Leerstand nicht aktivieren, führt uns das bei wachsender Bevölkerung notwendigerweise zum Neubau. Gebäude sind über ihre Lebenszeit in Summe für fast 40 Prozent des weltweiten CO₂-Ausstoßes verantwortlich. Ein guter Teil davon stammt aus ihrer Produktion.

Der Klimawandel ist die bedrohlichste aller planetaren Grenzen, die wir bereits 2009 überschritten haben. Wenn wir weiter neu bauen, können wir dieser Entwicklung in unserem Verantwortungsbereich substanziell wenig entgegensetzen. In diesem Sinne ist und bleibt das nachhaltigste Gebäude jenes, das bereits gebaut wurde.

Klimawandel wird unvermittelt und oft zur Klimakrise, und diese kostet viel Geld. Je weiter wir planetare Grenzen überschreiten, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit von nicht linearen, abrupten Ereignissen, die unser Ökosystem nicht mehr selbstständig ausgleichen kann. Die Flutkatastrophe von 2024 hat leidvoll illustriert, wie solche Ereignisse aussehen können und wie viel Geld sie kosten. Klimawandel ist kein langsamer Prozess, der sich über Jahrhunderte vollzieht und dadurch niemandem zu Lebzeiten schadet – er kann schnell und unvermittelt zu einem hohen persönlichen Risiko führen.

Während leer stehende Gebäude oft von perfekter Infrastruktur umgeben sind, muss man für den Neubau alles erst „neu“ bereitstellen: Straßen müssen gebaut, Versorgungsleitungen verlegt und U-Bahnen verlängert werden, während anderswo intakte, aber grob untergenutzte Infrastruktur weiterhin Wartungskosten verursacht.

Neue Bauten nehmen oft „neuen“ Boden in Anspruch. Vormals landwirtschaftlich produktive Fläche wird nicht nur durch das Gebäude selbst, also das Siedlungswesen, sondern auch durch die neue Infrastruktur, also das Verkehrswesen, versiegelt. Versiegelte Flächen können aber niemanden ernähren, keinen Staub binden, kein Wasser retentieren oder mit Hitze gut umgehen.

Oft aber muss der Bestand dem Neubau weichen. Dann konsumiert neues Bauen zwar keine grüne Wiese, wohl aber kostbare bereits bestehende Ressourcen – mit allen Sekundäreffekten des Abtransportes. Allein die Bau- und Abbruchabfälle in Österreich sind – mit 18,2 Prozent am Gesamtabfallaufkommen – dreimal so groß wie der gesamte Hausmüll dieses Landes. Für die Vermeidung von Hausmüll müssen wir Millionen Österreicher*innen bilden, für die Vermeidung der Bau- und Abbruchabfälle hingegen nur ein paar Zehntausend: die Vertreter*innen der Bauindustrie.

Das Wohnen, eines unserer grundlegenden Bedürfnisse, ist durch die hohen Kosten des Grundanteils, der Infrastruktur und des Bauens oft unleistbar geworden. Nirgendwo kommt leistbares Wohnen mehr ohne erhebliche öffentliche Zuschüsse aus. Leistbares Wohnen aber ist ein integraler Hebel für eine sozial ausgeglichene Gesellschaft. Für einen Wohlfahrtsstaat wie Österreich ist es wichtig, sich diese Position in einem sozial ausgeglichenen Budget zu leisten. Wir bezweifeln jedoch, dass der Schlüssel zu leistbarem Wohnen überwiegend im Neubau liegt. Im Gegenteil, mit dem gegenwärtigen Modell agieren wir gegen unsere ökologischen Grundlagen, aber auch gegen unseren ökonomischen Hausverstand.

An den paar genannten Beispielen wird schnell klar, wie vernetzt und verwoben die Aktivierung von Leerstand mit drängenden gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen betrachtet werden kann.

Was können wir also tun?

In der Architektur kennen wir generell zwei potente Gegenmaßnahmen, um Ressourcenverbrauch und Flächeninanspruchnahme wirksam einzudämmen: die Nachverdichtung und die Aktivierung von leer stehenden Gebäuden. Beide Maßnahmen lassen sich in verlassenen Industrie- und Gewerbebrachen leicht und effizient umsetzen, besonders, wenn diese stadtnahe gelegen sind.

Zahlreiche Studien belegen, dass wir uns gesellschafsstrukturell von einem produzierenden zu einem dienstleitestenden System wandeln. Produktionsstandorte werden ins Ausland verschoben und Wertschöpfungsketten modifiziert.

Auch empirisch merken wir an der Front unseres täglichen Handelns, dass Gewerbe nur mehr zwischen Flächen rotiert, aber die gewerbliche Nachfrage nicht mehr in der Lage ist, bestehende und leer stehende Flächen zu belegen, geschweige denn neue einzufordern.

Dieser Strukturwandel macht nicht wenig Fläche frei: Das Umweltbundesamt spricht im Bereich der Industrie- und Gewerbebrachen seit 2002 von einem Leerstand von 8.000 bis 13.000 Hektar – am oberen Ende dieser Schätzung entspricht das der Fläche von Graz. Stellt man diese Zahl dem Wohnbau gegenüber, sieht man sofort, wo die wirklich großen Hebel in der Leerstandsaktivierung liegen. Der Wohnbau weist mit einer geschätzten Quote von im Schnitt 4,7 Prozent und 230.000 Einheiten zirka 1.700 Hektar Leerstand auf – rund Zweidrittel davon benötigt man aber als fluktuationsbedingten Leerstand für einen funktionierenden Immobilienmarkt. Der Relevanzhebel, den wir im Bereich der gewerblichen Brachen umlegen können, ist bis zu 22-mal so lang wie im Wohnbau. Für den politischen Willen, die Wohnungsnot durch Leerstandsaktivierung zu bekämpfen, liegt hier das weit größere Potenzial. Industrie- und Gewerbebrachen sind ein wahrer Schatz an nutzbaren Flächen – man müsste ihn nur heben.

Die Hebel, die wir für die Aktivierung von Gewerbebrachen bewegen müssen, lassen sich leicht und ohne großen finanziellen Aufwand und Ressourceneinsatz umlegen. Meist genügen minimal invasive Eingriffe, um Gebäude dieser Art aus ihrem Dornröschenschlaf zu wecken und ihrer Umgebung zugänglich zu machen. Gerade in der Peripherie sind Gewerbebrachen oft lächerlich günstig. Es will sie nur keiner haben und noch wichtiger: Fast niemand weiß mit ihnen etwas anzufangen. Gleichzeitig verfügen Gewerbebrachen meist über eine solide Substanz, eine hervorragend ausgebaute Infrastruktur und eine gute Verkehrsanbindung, überdies sind sie durch ihre Kompaktheit oft erstaunlich günstig im Betrieb. Letztlich werden zu unserer Überraschung oft die infrastrukturellen Qualitäten durch jene des Standortes sogar noch übertroffen. Gewerbebrachen liegen oft an den schönsten Orten, am Rand von Naturschutzgebieten oder Grünland mit fast schon kitschigen Ausblicken und großartigen Aufenthaltsqualitäten.

Prozesse und Regulative

In der Beplanung von Gewerbebrachen haben wir in den letzten 12 Jahren gelernt, dass althergebrachte, deterministische Planungsmodelle bei der Aktivierung von Leerstand versagen. Wir sind bei den Nutzungsänderungen bei einem Intervall von 20 Jahren angekommen, insofern macht es keinen Sinn mehr, die Nutzung oder eben Umnutzung eines Gebäudes engmaschig im Vorhinein zu bestimmen. Die chronologische, nutzungssinguläre Herangehensweise muss von parallelen, nutzungsoffenen und mitunter auch chaotischen Planungs- und Umsetzungsprozessen abgelöst werden. Die Gewerbebrache ist mit ihren weitläufigen Grundrisslayouts bei minimalen räumlichen Beeinträchtigungen durch die Statik ein wahrer Meister der Nutzungsoffenheit – so leben Gebäude einfach länger.

Fehlende Nutzungsresilienz ist aber nur einer der Faktoren, die bestehende Gebäude regelmäßig an den Abbruch heranführen. Von einem Bestandsgebäude zu verlangen, alle Regulative des Neubaus zu erfüllen, ist ebenso ausschlaggebend. Bestehende Vehikel wie z. B. §2 der Wiener Bautechnikverordnung, mittels dessen man die Gleichwertigkeit zu bestehenden Regulativen bei einer Abweichung nachweisen kann, kann man getrost als unternutztes Recht bezeichnen, da wenige Planer*innen und noch weniger Bauherr*innen von dieser aufwendigen Beweisführung Gebrauch machen. Besser wären hier eine Umbauordnung nach niedersächsischem Vorbild, die Abweichungen vertrauensvoll in die Hände von Planer*innen legt, oder ein Gebäudetyp „e“ nach bayrischem Muster, bei dem fachkundige Klient*innen mit ihren Architekt*innen Schutzniveaus je nach Projektziel privatrechtlich vereinbaren können. Auch denkbar wäre eine Statistik, die die Schadensfälle in Altbauten mit jenen von Neubauten mit aktuellem Schutzniveau vergleicht. Das Ergebnis könnte uns alle überraschen, weil es vermutlich eine Überregulierung darstellen würde.

Einen weiteren Punkt, der bis dato in unseren Regulativen keinen Niederschlag findet, stellt die „Graue Energie“ eines Gebäudes dar. Unseren Bauordnungen und Energieausweisen ist es gleichgültig, ob ein Gebäude erhalten wird oder nicht. Abbruch und Versieglung haben keine Konsequenzen, entsprechend wird der Erhalt und die Nachnutzung von Gebäuden nicht belohnt. Hier müssten die Bauordnungen dringend mit einem CO₂-Äquivalent nachgerüstet werden, welches die Dänen bereits seit Jahren haben und erfolgreich anwenden. Wenn Planer*innen beispielsweise nur mehr zehn Kilogramm CO₂-Äquivalenz über 50 Jahre pro Quadratmeter verbrauchen dürfen und der Bestand im Vergleich zum Neubau damit keinen initialen CO₂-Fußabdruck hat, wird dieser eine dauerhafte Aufwertung in seinem Stellenwert erfahren.

Gleichzeitig lassen sich über eine diesbezügliche Anpassung aber auch wirtschaftliche Kreislaufmodelle initiieren. Wenn beispielweise ein WC in seiner Herstellung ein CO₂-Äquivalent von 50 Kilogramm beansprucht, wird jede*r Immobilienentwickler*in dreimal darüber nachdenken, ob sie*er dieses Äquivalent in ein WC oder in fünf Quadratmeter Fläche steckt. Insofern wird die Industrie motiviert werden, bestehende WCs zurückzunehmen, neu zu beschichten und diese ohne großen Ressourcenaufwand und CO₂-Abdruck wiederzuverkaufen. Der Bestand und die Graue Energie haben bis dato keine Lobby, jedoch bietet der oben skizzierte Weg eine Möglichkeit, mehr Industriepartner*innen an Bord zu holen, um das Paradigma zu wechseln.

Überdies ist das Weiterbauen im Bestand ressourcenärmer, aber lohnintensiver als der Neubau. Wenn also bei gleichzeitiger Reduktion des Ressourcenverbrauchs mehr Personen in Beschäftigung gehalten werden können, erscheint diese Art zu bauen weit besser dafür geeignet, unseren gesellschaftlichen Wandel hin zur Dienstleistungsgesellschaft zu begleiten.

Die Potenziale der Aktivierung

Die Potenziale der Aktivierung von gewerblichem Leerstand sind nicht nur physischer Natur, sondern auch prozessual äußerst vielfältig und beginnen bei der Stärkung von Kommunen. In Bergheim im Handelszentrum 16 (Hz 16) haben bis vor ein paar Jahren fast keine Menschen mehr gearbeitet. Der Universalversand ist abgesiedelt, das Gebäude ausgestorben. Ende 2026 werden durch die Aktivierung dort wieder 600 Menschen arbeiten, für die Kommunalsteuer entrichtet wird. Gemeinden haben abgesehen vom Finanzausgleich und der Kommunalsteuer sehr untergeordnete Einkunftsmöglichkeiten. Die Aktivierung eines solchen Leerstands trägt dazu bei, den finanziellen Handlungsspielraum von Gemeinden deutlich zu erhöhen.

Meist kommt es bei der Wiederbelebung von gewerblichen Brachen zu einer deutlichen Hebung von Flächenqualitäten – aus vormals Lager wird Produktion, aus Produktion wird Büro, Ausstellungsraum oder vielleicht sogar einmal Wohnen usw. Dadurch kommen versiegte Wertschöpfungsketten wieder in Schwung, aber auf einem ganz anderen Niveau als durch die vormalige Nutzung bzw. Nichtnutzung.

Zusätzlich lassen sich Gewerbebrachen gerade durch die Hebung der Flächenqualitäten perfekt nachverdichten. Am Beispiel des Hz 16 in Bergheim konnten wir 42.000 Quadratmeter auf 60.000 Quadratmeter intern hochverdichten, ohne die Kontur des Gebäudes auch nur um einen Kubikmeter zu verändern. Verdichtung ist also in diesem Fall oft ohne Addition möglich.

Insgesamt führt dies auch zu einer deutlichen Verbesserung dessen, was diese Gebäude städtebaulich für ihr Umfeld leisten können. Dunkle introvertierte Bunker für Paletten und seelenlose Zweckbauten ohne nennenswerte Frequenz kann man dauerhaft in lebendige Orte für Menschen umstülpen, die ihre defibrillierte soziale Energie nicht nur nach innen, sondern auch in die Umgebung entfalten, was in Folge in Konsum, Betätigung, Beteiligung oder Nutzung mündet. Damit kann man dem Aussterben von Quartieren, Stadteilen oder Orten wirksam entgegentreten.

Zusammenfassend kann man in Hinblick auf die Potenziale der Aktivierung von gewerblichem Leerstand festhalten, dass wir auf einem riesigen ungenutzten Flächenschatz sitzen, dass Gewerbebrachen in ihrer Kostenstruktur äußerst attraktiv sind, dass sie sehr oft beste Standortqualitäten aufweisen und dass sie eine Flut von positiven prozessualen Sekundäreffekten mit sich bringen.

Dem Wohnen werden diese Qualitäten jedoch allesamt vorenthalten, da in die Jahre gekommene Widmungskategorien es schlichtweg verbieten, Gewerbe mit Wohnen zu mischen. Dabei wäre das Wohnen gerade jenes fehlende Puzzlestück, welches das Potenzial von Gewerbebrachen im Sinne des Gemeinwohls durch die Decke schießen könnte. Warum ist das so?

Einerseits ist es gesellschaftlich so, dass die Mischnutzung bereits das lebendigste Nutzungsprinzip der Vergangenheit war und es in Zukunft wieder verstärkt werden sollte. Was die Charta von Athen vor fast 100 Jahren getrennt hat, darf wieder zusammenfinden. Und warum nicht? Urbanes Gewerbe ist heute größtenteils emissionsfrei und verträgt sich großartig mit dem Wohnen.

Eine lebendige Mischnutzung kommt mit einer Fülle an Vorteilen. Die Nähe von Arbeiten und Wohnen reduziert Verkehr und damit verbundene Infrastruktur und Emissionen. Das Wohnen belebt die Randzeiten, und das Gewerbe gestaltet die Zeit dazwischen lebendig. Eine durchdringende Mischnutzung hält Leute in fußläufigen Radien in Bewegung und reduziert beispielsweise die Kosten für das Gesundheitssystem elementar. Das haben Pariser Stadtplaner*innen am UIA-Kongress 2023 eindrucksvoll vorgerechnet. Wenn sich also Wohnen zum gesellschaftlichen Vorteil wieder mit Gewerbe verträgt, sollten wir dann in weiterer Folge nicht über die Einschränkungen nachdenken, die diese Annäherungen außerhalb von Kernzonen verbieten?

Widmungsanreicherungen in Gewerbe- und Industriegebieten würden diese Hindernisse der Leerstandsaktivierung beheben. Monostrukturelle Widmungskategorien, die nur die eine oder andere Widmungsart kennen, sind nicht mehr zeitgemäß und sollten zu Gunsten von Hybridsystemen, die beides zulassen, überdacht werden. Es ist die Denkweise, dass es entweder Wohnen oder Gewerbe sein muss, aber nie beides gleichzeitig sein kann, die zu Frustrationen bei Widmungsänderungen führt. Aus Gewerbe wird dann oft unleistbarer Wohnbau, und aus Wohnen kann bei Bedarf nie wieder Gewerbe werden. Es sind starre und unflexible Systeme, die dem gesellschaftlichen Flux nicht mehr gewachsen sind. Gerade in Randzonen von Gewerbegebieten, die oft an Grün- oder Wohnzonen grenzen, wären gewerbliche Gebäude prädestiniert, um eine Wohnnutzung angereichert zu werden. Dies könnte über eine Art Zwiebel- oder Schalenwidmung innerhalb bestehender gewerblicher Widmungskategorien in Randstreifen von Gewerbegebieten umgesetzt werden. In diesen Streifen könnte ein gewisser Flächenanteil bis zu einer gewissen Tiefe flexibel einer Wohnnutzung zugeführt werden.

Wenn sich die Widmung anreichern und ändern würde, könnte die öffentliche Hand zurecht ihre Interessen ins Spiel bringen. Und genau dadurch begründet sich der Schlussstein der Aktivierung von gewerblichem Leerstand in leistbares Wohnen. Durch die niedrige Kostenstruktur von gewerblichen Brachen ist es aus unserer Sicht möglich, leistbaren Wohnraum zu schaffen, ohne dafür öffentliche Fördermittel ausgeben zu müssen. Zugleich bleibt leistbares Wohnen auch für die*den Entwickler*in – aufgrund ausreichender Gewinnspannen – leistbar und muss nicht über frei finanzierte Einheiten querfinanziert werden. So könnte man im öffentlichen Interesse die Fläche des leistbaren Wohnens in Raumordnungsverträgen auf bis zu 100 Prozent der umgewidmeten oder sagen wir besser der widmungsangereicherten Flächen anheben.

Letztlich könnte man das Potenzial der Aktivierung von Gewerbebrachen in einer einfachen Formel zusammenfassen:

Großer bestehender Flächenschatz

plus niedrige Kostenstruktur

plus hohe Standortqualitäten

plus Widmungsanreicherung

=

Enorme Ressourcenschonung

plus erheblicher Gemeinwohlfaktor durch leistbares Wohnen

In der Aktivierung von gewerblichem Leerstand sehen wir eine der wirksamsten und tatsächlich auch drehbaren Stellschrauben, unsere lineare, auf Wachstum basierte Wirtschaft letztendlich in einen Kreis zu biegen. Die Wiederbelebung von gewerblichem Leerstand beschränkt sich nicht nur auf Raumgewinn. Vielmehr ist es ein Zusammenspiel aus ökologischen, sozialen und ökonomischen Potenzialen, die vernetzt betrachtet und aktiviert werden können. Die Nachnutzung und Aktivierung von gewerblichem Leerstand sowie die Anreicherung um leistbares Wohnen sind hierbei praktikable und tatsächlich auch anwendbare Maßnahmen, die uns erlauben, ökologische Grenzen nicht zu überschreiten und soziale Grenzen nicht zu unterschreiten.

Aus der sperrigen Prozessmaxime „Adaptive Reuse“, die nichts anderes bedeutet, als leer stehende Gebäude mit einer Nutzung zurück ins Leben zu bringen, für die sie ursprünglich nicht vorgesehen waren, muss also über kurz und nicht lang der Handlungsimperativ „Adapt & Reuse“ werden.

 

 

smartvoll

designen Interventionen. Es sind zu gleichen Teilen ökologische, bauliche und gesellschaftliche Interventionen in Bestehendes. In vielfältigen Projekten haben sie bewiesen, dass sich von der Industriebrache bis zum Dorfkern alles reanimieren lässt — sofern man es mit Mut und Leidenschaft tut.

Kay-Michael Dankl

ist Historiker und Vizebürgermeister der Stadt Salzburg. Er ist in Salzburg und Tucson (USA) aufgewachsen. Nach seinem Studium leistete er einen Gedenkdienst in Straßburg. 2019 zog er mit einem Mandat in den Gemeinderat ein; 2024 erhielt die KPÖ PLUS zehn Mandate ; Dankl wurde Vizebürgermeister für Wohnen, Bauen und Bodenpolitik.

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ist Architekt in Wien und seit 2021 Mitglied des Vorstands der IG Architektur. Publikationen (Auswahl): Reden wir über Baukultur! (Jovis, 2022), Vienna, Arrival City (Sonderzahl, 2020)

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