Die Diskussionsreihe „Leerstand nutzen!“ platzierte im Vorfeld der Wiener Landtags- und Gemeinderatswahl 2025 die Erfassung und Nutzung von Leerstand als politisches Thema. Inhaltliche Basis der Diskussionsreihe war der Forderungskatalog „Leerstand Nutzen!“, der nun um die Ergebnisse der Diskussionsreihe aktualisiert wurde. Foto: eSeL.at./Robert Puteanu
Im September 2024 erarbeitete eine breite Allianz mehrerer Wiener Institutionen* sowie Expert*innen aus den Bereichen Architektur, Stadtplanung, Kultur, Forschung, Interessenvertretung, Verwaltung und Aktivismus einen Forderungskatalog zur Erfassung und Nutzung von Gebäudeleerstand in Wien. Der Forderungskatalog diente als Grundlage der von der Allianz im Oktober und November 2024 veranstalteten, dreiteiligen Diskussionsreihe „Leerstand nutzen! Möglichkeiten zur Aktivierung von Leerstand in Wien“. Er wurde nun hinsichtlich der Ergebnisse der Diskussionsreihe aktualisiert, ergänzt und neu aufgelegt.
* Die genannte Allianz besteht aus der Allianz für Substanz, dem Architekturzentrum Wien (Az W), der IG Architektur, der IG Kultur Wien (IGKW), der Österreichischen Gesellschaft für Architektur (ÖGFA) und der Kammer der Ziviltechniker:innen für Wien, Niederösterreich und Burgenland. Die Diskussionsreihe „Leerstand nutzen! Möglichkeiten zur Aktivierung von Leerstand in Wien“ wurde in Kooperation mit der Fakultät für Architektur und Raumplanung der TU Wien veranstaltet.
Allgemeine Forderungen
für die Nutzung von Leerstand in Wien
1. Definition des Begriffs „Leerstand“
Anders als in der Steiermark, Salzburg, Tirol und Vorarlberg1 gibt es in Wien noch keinen Konsens über die Definition des Begriffs „Leerstand“. Erstes Ziel einer ernsthaften Diskussion über die Nutzung von Leerstand in Wien muss es daher sein, eine öffentliche Debatte darüber zu führen, was unter „Leerstand“ zu verstehen ist – im Wohnbau, aber auch im Nichtwohnbau. Ab wann kann von einem Leerstand gesprochen werden, der für die Zivilgesellschaft schädliche Auswirkungen hat – und daher sanktioniert werden soll? Wann spricht man von Mindernutzung und wann von Zweckentfremdung?
2. Erhebung von Leerstand
Seit Jahrzehnten fehlen valide Zahlen über den Gebäudeleerstand in Wien – oder sie werden schlichtweg nicht veröffentlicht. Für den Bereich Wohnen weist die jüngste Registerzählung der Statistik Austria rund 100.000 Wohnungen beziehungsweise zehn Prozent der Wohnungen in Wien ohne Haupt- oder Nebenwohnsitz aus, doch auch diese Zahlen lassen keine verlässlichen Rückschlüsse auf den tatsächlichen Wohnungsleerstand zu. Die wichtigste Grundlage für die Nutzung von Leerstand in Wien ist daher – nach erfolgter Definition des Begriffs „Leerstand“ – die datenbasierte Erfassung und Veröffentlichung des Gebäudeleerstands durch Verknüpfung unterschiedlicher Datenquellen: Wohnungsanzahl, Wohnsitzmeldungen, Gewerbemeldungen, Energieverbrauch, Müllmengen, Abwassermengen. Das Land Salzburg beispielsweise zeigt dazu aktuell, dass die Leerstandserhebung über den Stromverbrauch datenschutzkonform möglich ist. Weiters könnte eine KI-unterstützte Leerstandserfassung per Luftbild und Infrarotaufnahme genutzt werden, die durch das Fraunhofer-Institut entwickelt wurde und in Kürze auch für Österreich zur Verfügung stehen wird.2 Parallel zur Erfassung von Leerstand sollten aber auch die Gründe für Leerstand erhoben werden, um Maßnahmen zur Aktivierung von Leerstand gezielt setzen zu können.
3. Leerstandsmeldepflicht
Neben der statistischen Erhebung von Gebäudeleerstand kann durch die Einführung einer Leerstandsmeldepflicht, wie sie bereits in Salzburg und Tirol für Wohnungen besteht, zusätzliches Datenmaterial zum Gebäudeleerstand erhoben werden. Die Leerstandsmeldepflicht ist eine wesentliche Basis der Leerstandsabgabe und schafft gleichzeitig Bewusstsein für den Wert und auch die öffentlichen Kosten von Leerstand. Außerdem kann in Mehrparteienhäusern so sichergestellt werden, dass die Nebenkosten leer stehender Räumlichkeiten ordnungsgemäß von den Vermieter*innen getragen und nicht auf die übrigen Mieter*innen aufgeteilt werden. Alternativ zur Leerstandsmeldepflicht wäre aber auch ihre Umkehrung denkbar: Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer könnten grundsätzlich die Vermietung ihrer Immobile nachzuweisen haben – ansonsten wäre automatisch eine Leerstandsabgabe fällig.
4. Leerstandsabgabe
Gebäudeleerstand bleibt in Wien aktuell ohne Konsequenz. Die naheliegendste Möglichkeit zur Sanktionierung von Leerstand ist die Leerstandsabgabe, wie sie für den Bereich Wohnen bereits in der Steiermark, Salzburg, Tirol und Vorarlberg eingeführt wurde. Eine Leerstandsabgabe auf alle Gebäudetypologien würde Immobilienbesitzer*innen motivieren, Leerstand auf den Markt zu bringen. Die 2024 erfolgte Verfassungsnovelle zur Übertragung des Rechts auf Einhebung einer wirksamen Leerstandsabgabe für Wohnungen vom Bund auf die Bundesländer ist ein weiteres gewichtiges Argument für eine Leerstandsabgabe in Wien. Die Höhe einer wirksamen Leerstandsabgabe ist zu diskutieren und sollte jedenfalls die Möglichkeiten der Verfassungsnovelle 2024 ausschöpfen (aktuell betragen die noch vor der Verfassungsnovelle eingeführten Leerstandsabgaben in den Bundesländern abhängig von der Wohnungsgröße und anderen Faktoren zwischen ca. 100 und 5.000 Euro pro Jahr3). Denkbar wäre etwa eine Leerstandsabgabe in der Höhe des marktüblichen Mietpreises einschließlich Lagezuschlag, wodurch Gewinne aus der Spekulation mit Leerstand abgeschöpft werden könnten. Ebenfalls anzustreben wäre eine Leerstandsabgabe mit möglichst wenigen Ausnahmen, um die effektive Anwendung der Abgabe zu ermöglichen. Sinnvoll sind aber auch Regelungen, die verhindern, dass leer stehende Immobilien infolge der Leerstandsabgabe mindergenutzt werden.
5. Anreize schaffen
Die Aktivierung von Leerstand ist in vielen Fällen für Immobilienbesitzer*innen wenig lukrativ bzw. aufwendiger als die Nichtnutzung. Zusätzlich zu einer Leerstandsabgabe (Push-Faktor) sollen Immobilienbesitzer*innen durch steuerliche Anreize und Förderungen (Pull-Faktoren) ermutigt werden, Leerstand zu sanieren und auf den Markt zu bringen – im Fall von Förderungen zur unbefristeten Deckungsmiete. Weiters einzurichten wären Beratungsservices für Immobilienbesitzer*innen bei der Vermietung von Leerstand, aber auch Managementservices an der Schnittstelle zwischen Eigentümer*innen von Leerstand und potenziellen Nutzer*innen, um die Kommunikation abzuwickeln, Rechtsfragen zu klären und Erfahrungen bei der Nutzung von Leerstand weiterzugeben.
Spezifische Forderungen
für die Nutzung von Leerstand im Wohnbau in Wien
1. Sanktionsmöglichkeiten prüfen
Das Land Wien soll Modelle prüfen, wie Leerstand sinnvoll sanktioniert werden kann. Im Moment gibt es keine Hebel, um Wohnungsleerstand unattraktiv zu machen oder zu aktivieren. Beispiele aus europäischen Großstädte zeigen zahlreiche Möglichkeiten auf, wie Leerstand sanktioniert werden kann. Mögliche Sanktionen reichen dabei von Zweckentfremdungsverboten (zu dem auch das „Nichtbewohnen“ zählt) über Leerstandsabgaben bis zur Fremdvermittlung durch die städtische Verwaltung, wenn Vermieter*innen keine neuen Mieter*innen nach festgesetzten Fristen gefunden haben.
2. Alternativen zur Leerstandsabgabe prüfen
Alternativ zur Leerstandabgabe sollten Steuermodelle geprüft werden, die ohne den hohen administrativen Aufwand zur Erfassung von Leerstand auskommen. Dies wäre etwa die Wohnraumsteuer, die in Frankreich eingeführt wurde und nun auch in Deutschland diskutiert wird: Wer auf besonders vielen Quadratmetern lebt, soll auch mehr Steuern zahlen. So soll ein Anreiz geschaffen werden, um von einer größeren in eine kleinere Wohnung zu ziehen und so mehr Wohnraum am Markt verfügbar zu machen. Ebenfalls überlegenswert wäre eine Reform der Bodenbesteuerung, wie sie WIFO-Chef Gabriel Felbermayr vorschlägt: Durch Einführung einer Grundwertsteuer sollen Grund und Boden je nach der Lage und dem damit verbundenen Wert von Immobilien deutlich höher besteuert werden als aktuell durch die Bodensteuer. Dadurch hätten Landeigentümer*innen automatisch Interesse, mehr Wohnraum zu vermieten, auch Verdichtungen in schon verbauten Gebieten würden interessanter. Damit bekäme der Staat, was er möchte, nämlich weniger Leerstand, während sich die mit der Erfassung des Leerstands verbundenen Probleme gar nicht erst ergäben.4 Weiters wäre das Schweizer Modell der Eigenmietwertbesteuerung zu prüfen: Dafür werden Mietausgaben geschätzt, die man bezahlen müsste, wenn man eine Wohnung nicht besäße – für diese fiktiven Ausgaben bezahlt man in der Schweiz Einkommenssteuer. Eigentümer*innen von Leerstand werden demnach versuchen, Wohnungen zu vermieten, ohne dass der Staat aufwendig nachweisen muss, wo Wohnungen leer stehen.5
3. Wohnungstausch erleichtern
Ändern sich die persönlichen Platzbedürfnisse, können Plattformen den Wohnungstausch erleichtern. So kann ein besseres Verhältnis von Raumangebot und Raumbedarf hergestellt werden.
Weitere zu diskutierende Forderungen
für die Nutzung von Leerstand im Wohnbau in Wien
1. Abstimmung des Wohnungsneubaus mit dem Wohnungsleerstand
Die Vermeidung von Boden- und Ressourcenverbrauch ist im Sinne der internationalen, nationalen und Wiener Klimaziele oberstes Gebot. Auch in einer wachsenden Stadt mit entsprechendem Bedarf an leistbarem Wohnraum muss daher die Erschließung neuer Wohngebiete mit dem Nutzungspotenzial des Leerstands bestehender Wohngebäude abgestimmt werden. Erst wenn die Raumbedürfnisse hier in nachvollziehbarem Maße gedeckt sind, ist Neubau vertretbar.
2. Einführung eines Beherbergungsregisters
Die von der Stadt Wien eingeleiteten Maßnahmen zur Eindämmung der Zweckentfremdung von Wohnraum für touristische Zwecke (Airbnb u. a.) haben zwar erste Erfolge erzielt, dennoch bleibt das Problem der Zweckentfremdung von Wohnungen bestehen. Als weiterer Schritt ist daher ein Beherbergungsregister einzuführen, das via Nachweispflicht die tatsächliche Nutzung von Wohnraum für Ferienwohnungen genau nachvollziehbar macht und somit reduziert.
3. Obdachlosigkeit bekämpfen
Wohnen ist ein Menschenrecht, dennoch sind 12.000 Menschen in Wien obdachlos. Bestehende Services zur Vermittlung leer stehender Wiener Wohnungen an Obdachlose sollten daher ausgebaut werden. Zu diskutieren wäre auch die Legalisierung von Hausbesetzungen, um Selbsthilfe bei Obdachlosigkeit und Wohnungsnot zu entkriminalisieren.
4. Verhinderung von Leerstandsspekulation
Ein Gutteil des Leerstands in Wien ist auf Leerstandsspekulation zurückzuführen, insbesondere im privaten Wohnungsneubau. So ist es etwa oft profitabler, unvermietete Wohnungen zu überhöhten Preisen im Immoblienportfolio zu halten, als diese zu günstigeren Preisen zu vermieten. Diesen und anderen Formen der Leerstandsspekulation sollte gesetzlich entgegengewirkt und damit der Spekulation mit Leerstand die Grundlage entzogen werden.
Spezifische Forderungen
für die Nutzung von Leerstand im Erdgeschoß in Wien
1. Anreize zur Sanierung von Sockelzonen
Anreize zur Leerstandsaktivierung sind die Förderung von Sanierung und Umbauten in Zusammenhang mit Maßnahmen zur Klimaanpassung wie Innenhofbegrünung und Grätzloasen sowie eine Beratungsstelle für Eigentümer*innen hinsichtlich Aktivierung und Vermietung ihres Leerstands in der EG-Zone.
2. Förderung von Initiativen zur Nutzung von Leerstand im Grätzl
Die Aktivierung von EG-Lokalen im Sinne der Stadtteilarbeit ist für Nutzungsgruppen aus den Bereichen Kultur, Kreatives und Soziales mit hohem finanziellem und persönlichem Aufwand verbunden, dabei tragen diese Gruppen wesentlich zur Grätzlkultur und zur Belebung des öffentlichen Raums bei. Es braucht generell mehr Budget zur Förderung kultureller Infrastrukturen und eine stetige Anpassung der Mittel für Kultur durch die entsprechend der Einwohner*innenzahl bemessene Einführung einer Kulturquote. Weiters braucht es eine spezifische Projektförderung für Initiativen, die Leerstand aktivieren. Diese Förderungen zur baulichen Instandsetzung und kulturellen Aktivierung von Leerstand sollen gleichzeitig lebendige Grätzl sicherstellen und Kultur- und Kreativschaffenden, Kleinstbetrieben und Nachbarschaftsinitiativen ihren Start und ihre Existenz ermöglichen.
3. Reformierung bestehender Fördermodelle
Bestehende Förderungen zur Nutzung von Leerstand richten sich hauptsächlich an Nutzer*innen und nicht an Eigentümer*innen. Bei den Förderungen handelt es sich zudem meist um anteilige Förderungen, die wegen der hohen Gesamtkosten oft nicht abgeholt werden – gerade von potenziellen Fördernehmer*innen aus dem Kulturbereich. Daher sollten höhere Förderquoten oder der Entfall des Eigenanteils überlegt werden. Darüber hinaus sollten durch Förderungen nicht nur Anreize für temporäre Nutzungen, sondern auch für deren Verstetigung geschaffen werden.
4. Förderung marginalisierter Gruppen
Marginalisierte Gruppen leben oft in jenen Stadtgebieten, in denen Leerstand besonders hoch ist. Marginalisierte Gruppen sollten daher gezielt gefördert werden, ebenso sollte Auswahlgremien für die Vergabe von Räumen und Förderungen divers besetzt werden, um Räume für marginalisierte Gruppen offen zu halten.
5. Eröffnung von Initiativenräumen in öffentlichen Immobilien
Um langfristig insbesondere für nicht kommerzielle Initiativen robuste Räume zu garantieren, die soziale Puffer und kulturellen Austausch in der Großstadt bieten, sollen an dafür geeigneten Standorten Räumlichkeiten in der Erdgeschoßzone öffentlicher Immobilien zur Verfügung gestellt werden, die der Marktlogik entzogen sind. Mit diesen Hubs verbunden ist die Schaffung von Trägerstrukturen, finanziert durch die Stadt Wien, oder die Förderung von Raumunternehmen, die diese Experimentierräume betreiben.
6. Neue Mietmodelle für neue Raumbedarfe
Der Immobilienmarkt deckt Raumbedarfe für zeitgenössische neue Nutzungen in EG-Zonen nicht ab. Einerseits fehlen leistbare Mietmodelle in Erdgeschoßzonen, andererseits braucht es eine Verbesserung von gesetzlichen Rahmenbedingungen, die diese neuen hybriden Nutzungskonzepte (Shared Spaces, Co-Working, Räume für die gleichzeitige Nutzung zu Wohn- und Arbeitszwecken) ermöglichen. Hierzu wären Veränderungen im Miet- und Gewerberecht sowie in der Bauordnung und Widmungsänderungen nötig.
Spezifische Forderungen
für die Nutzung von Leerstand in Gewerbebauten in Wien
1. Kostengünstige Vermietung leer stehender öffentlicher Immobilien
Niedrige Raummieten sind eine wichtige Voraussetzung für die Nutzung von Leerstand durch innovative Gewerbe oder kreative Projekte. Es ist daher sinnvoll, entsprechende Möglichkeiten zu prüfen, um un- bzw. untergenutzte Immobilien im öffentlichen Besitz unter Beachtung geltender beihilferechtlicher Rahmenbedingungen unter Marktpreis an Nutzungen zu vermieten, die den gesamtstädtischen Zielsetzungen im Sinne der Gemeinwohlorientierung dienlich sind.
2. Umbauordnung
Bauordnungen sind auf Neubauten ausgerichtet. Die Nutzung leer stehender Bestandsgebäude wird insbesondere bei Nutzungsänderungen, aber auch im Fall der Erneuerung zuvor ausgelaufener Betriebsanlagengenehmigungen stark erschwert, da für Bestandsgebäude dieselben baurechtlichen Anforderungen wie für Neubauten gelten. Wesentlich für die Nutzung bzw. Umnutzung von Bestandsgebäuden ist daher die Senkung von Standards durch Erarbeitung einer Umbauordnung bzw. Umbau-OIB-Richtlinie, die in Ergänzung zur bestehenden Wiener Bauordnung bzw. OIB-Richtlinien baurechtliche Erleichterungen für Bestandsbauten definiert. Diese Erleichterungen könnten Raumhöhen, Brandschutz, Absturzsicherungen, Raumlüftung, Schallschutz, Barrierefreiheit, Stellplatzanzahlen und vieles mehr betreffen.
3. Widmungskategorie C
Zusätzlich zu einer Umbauordnung kann eine eigene Widmungskategorie C („C“ für „Commons“) im Wiener Flächenwidmungs- und Bebauungsplan neue, gemeinnützige und alltagsökonomische Wirtschaftsformen als Mischnutzungen im Sinne der produktiven Stadt etablieren. Einer Widmungskategorie C vorgeschaltet könnten Pilotprojekte stehen, die über kurze Zeiträume hinweg testen, welche Regelungen zu ändern wären, um gewerblichen Gebäudeleerstand vor allem für soziokulturelle Nutzungen, Wohnen sowie Mischformen von Wohnen und Arbeiten zu aktivieren
4. Definition von Nichtwohngebieten
In vielen Fällen wird in Wien gewerblicher Leerstand nicht aktiviert, da Eigentümer*innen von Gewerbeimmobilien auf eine spätere Umwidmung eines Gewerbegebiets in Wohngebiet spekulieren. Durch die eindeutige Definition von kleinteiligen Nichtwohngebieten im Flächenwidmungsplan kann derartige Spekulation unterbunden und die Aktivierung gewerblichen Leerstands begünstigt werden.
5. Ausgleich zwischen Wohnen und Gewerbe
Bestehende gewerbliche bzw. kulturelle Nutzungen befinden sich gegenüber neuen Wohnnutzungen rechtlich im Nachteil, wenn es etwa zu Anrainer*innenbeschwerden aufgrund von Emissionsbelastungen kommt. Durch einen rechtlichen Ausgleich zwischen bestehenden gewerblichen bzw. kulturellen Nutzungen und neuen Wohnnutzungen können gewerbliche bzw. kulturelle Nutzungen in gemischten Stadtgebieten gestärkt und das Ziel der produktiven Stadt besser erreicht werden.
6. Eigenes Gewerbemietrecht für gewerbliche Immobilien
Aktuell gibt es keine spezifische rechtliche Grundlage für die Vermietung gewerblicher Immobilien. Diese fällt unter das Wohnungsmietrechtsgesetz bzw. bei dessen Nichtanwendbarkeit unter das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch. Beide gehen auf die spezifischen Anforderungen gewerblicher bzw. kultureller Nutzungen – etwa den Bedarf an langfristigen Vermietungen – nicht ein. Durch ein eigenes Gewerbemietrecht für die Vermietung rein gewerblicher Immobilien können diese spezifischen Anforderungen besser abgedeckt werden.
7. Kuration gewerblicher Nutzungen
Die Koexistenz von Wohnen und Gewerbe, aber auch von unterschiedlichen gewerblichen Nutzungen kann zu Nutzungskonflikten führen. Durch Einführung einer sowohl wirtschaftlich als auch soziokulturell ausgerichteten Kuratierung gewerblicher Nutzungen können Nutzungskonflikte vermieden bzw. mit Beteiligten ausverhandelt werden. Diese Kuratierung könnte in einer eigenen Magistratsabteilung der Stadt Wien angesiedelt, aber auch in Form einer alternativen institutionellen Kooperation zwischen Stadt und Zivilgesellschaft geschaffen werden.
Fördergeber
Die Dialogveranstaltung „Leerstand nutzen! Möglichkeiten zur Aktivierung von Leerstand in Wien“ wurde mit Unterstützung des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport durchgeführt.