Der Brachflächen-Dialog setzt sich für die Wiedernutzung leerstehender Industrie- und Gewerbestandorte ein. Foto: Brachflächen-Dialog
Der Brachflächen-Dialog ist ein mehrjähriges Programm des Bundes mit dem Ziel, leerstehende und untergenutzte Standorte – „Brachflächen“ – wieder in die Nutzung zu bringen. Der Brachflächen-Dialog möchte möglichst viele Zielgruppen ansprechen und bedient sich daher unterschiedlicher Aktivitäten.
Was sind Industrie- und Gewerbebrachen?
Industrie- und Gewerbebrachen haben viele Gesichter, die sich aus den unterschiedlichen Vornutzungen ergeben. Diese reichen von gewerblichen Nutzungen wie Fabriken, Fachmärkten oder Hotels über infrastrukturelle Einrichtungen wie Bahnhöfe oder Tankstellen bis zu gemeinschaftlichen Nutzungen wie Schulen, Kirchen oder Hallenbädern.
Als Flächenrecycling oder Brachflächenrecycling wird die (Wieder-)Nutzung brachliegender ehemaliger Industrie- und Gewerbestandorte und damit deren Wiedereingliederung in den Wirtschaftskreislauf bezeichnet. Die Mobilisierung von Industrie- und Gewerbebrachen spielt eine zentrale Rolle bei der Reduktion des Bodenverbrauchs.
Die Begriffe „Brachfläche“ und „Leerstand“ werden häufig gleichgesetzt, haben aber unterschiedliche Bedeutungen. „Brachfläche“ bezieht sich auf das Grundstück und inkludiert die dort vorhandenen Gebäude. Brachflächen können in unterschiedlicher Intensität genutzt werden (Nicht- oder Mindernutzung). „Leerstand“ bezieht sich auf ein einzelnes Gebäude oder Teile eines Gebäudes, wobei es unterschiedliche Leerstandstypen gibt (z. B. kurzfristigen oder strukturellen Leerstand).
Um einen gemeinsamen Sprachgebrauch rund um das Thema festzulegen, erstellte der Brachflächen-Dialog in Zusammenarbeit mit einer multidisziplinären Arbeitsgruppe ein Fachpapier mit dem Titel „Brachflächen: Begriffe und Erhebungsmethoden“.
Warum ist die Wiedernutzung von Industrie- und Gewerbebrachen wichtig?
Brachflächenrecycling ist ein wichtiger Beitrag zur Reduktion der Flächeninanspruchnahme, des Abfallaufkommens, des Materialeinsatzes und des Energieverbrauchs. Die Wiedernutzung des Bestandes muss langfristig Priorität gegenüber dem „Neubau auf der grünen Wiese“ haben. Die Forcierung des Brachflächenrecyclings ist ein definiertes Ziel der österreichischen Bodenstrategie und trägt zu folgenden politischen Aufträgen bei:
Reduktion des Bodenverbrauchs: Für eine substanzielle Verringerung der Flächeninanspruchnahme und Bodenversiegelung bis zum Jahr 2030 (Ziel der österreichischen Bodenstrategie) und für die Erfüllung des EU-Zieles von „nettonull“ Bodenverbrauch bis 2050 ist die maximale Nutzung des gebauten Bestandes anzustreben.
Reduktion des Materialverbrauchs: Die österreichische Kreislaufwirtschaftsstrategie zielt darauf ab, den inländischen Materialverbrauch bis 2030 um 25 Prozent zu verringern. Durch die Forcierung von Umbau und Sanierung des Gebäudebestandes anstelle von Neubauten kann der österreichische Materialverbrauch erheblich reduziert werden.
Abfallvermeidung: Der Neubau verursacht 58 Prozent des nationalen Abfallaufkommens (40,8 Mio. Tonnen pro Jahr) – überwiegend durch Bodenaushub und Abbruch von bestehenden Gebäuden. Die Abfallvermeidung ist das oberste Ziel des Bundesabfallwirtschaftsplanes 2023. In der Wiederverwertung des Bestandes – durch Umbau und Sanierung – liegt ein großes Potential zur Abfallvermeidung, da sowohl Bodenaushub als auch Bauabbruch vermieden werden können.
Reduktion des Energieverbrauchs: Für die Errichtung eines Gebäudes wird jene Energiemenge, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung dieses Gebäudes aufgewendet werden muss, als „graue Energie“ bezeichnet. Durch Umbau statt Neubau kann die graue Energie des Bestandes genutzt werden und somit ein wesentlicher Beitrag zur angestrebten Klimaneutralität bis 2040 gemäß österreichischem Klimaplan 2040 geleistet werden.
Wie viele Industrie- und Gewerbebrachen gibt es in Österreich?
Aktuell wird eine Brachflächenpotentialkarte für ganz Österreich erstellt. Dabei werden Luftbilder mit Hilfe künstlicher Intelligenz ausgewertet. Vorläufige Ergebnisse zeigen, dass von zumindest 4.700 Industrie- und Gewerbebrachflächen ausgegangen werden kann. Es ist beabsichtigt, die Brachflächenpotentialkarte als Open-Data-Source über die Webseite des Brachflächen-Dialoges im Laufe des Jahres 2025 zu veröffentlichen und allen interessierten Nutzer:innen gratis zur Verfügung zu stellen. Die entsprechende politische Abstimmung ist noch nicht abgeschlossen.
Was trägt der Brachflächen-Dialog zum Flächenrecycling bei?
Webseite: Eine Webseite berichtet über alle Aktivitäten des Brachflächen-Dialoges und kündigt diese – in Verbindung mit einem Newsletter – rechtzeitig an. Darüber hinaus gibt es eine ständig wachsende Best-Practice-Sammlung zum Brachflächen-Recycling und einen Fördermonitor, der eine Übersicht zu Bundes- und Landesförderungen rund um das Thema Brachflächen-Recycling gibt.
Webinare rund um das Thema Brachflächen-Recycling richten sich an eine breite Fachöffentlichkeit und finden einmal pro Quartal statt. Sie sind kostenfrei und dauern zwei Stunden. Außerdem werden alle Webinare aufgezeichnet und können später nachgesehen werden. Inhaltlich sollen vor allem neue Aspekte angestoßen werden. Bisherige Webinare-Themen waren u.a.:
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Best-Practice-Beispiele aus Österreich
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Erneuerbare Energie auf Brachflächen
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Umbau statt Neubau
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Flächenrecycling und Partizipation
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Green Financing und EU-Taxonomie-Verordnung
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Flächenrecycling und Freizeitimmobilien
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Nachverdichtung im Bestand
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Semester-Abschlussarbeit (Geografie und Regionalforschung) zur einer ehemaligen Textilfabrik im Waldviertel
Bundesförderung Flächenrecycling: Diese Förderschiene wird von der Kommunalkredit Public Consulting abgewickelt und vom Brachflächen-Dialog unterstützt. Gefördert werden Flächen und Objekte in Ortskernen, die nicht mehr oder nicht entsprechend dem Standortpotenzial genutzt werden. Es können drei Maßnahmen gefördert werden: 1. Entwicklungskonzepte zur Ermittlung der künftigen Nutzung, 2. Untersuchungen von Untergrund und Bausubstanz, und 3. die Vorplanung eines standortbedingten Mehraufwandes – die beiden Letzteren in Zusammenhang mit bzw. nach einem Entwicklungskonzept. Es werden je nach Förderungsgegenstand 50 bis 75 Prozent der förderfähigen Kosten bis maximal 60.000 € Barwert gefördert. In der Regel gibt es pro Kalenderjahr zwei Einreichtermine, jeweils im Mai und im November. Bis Februar 2025 wurden 92 Projektanträge genehmigt.
Brachflächen-Gipfel: Jährlich trifft sich die Brachflächen-Community im Rahmen einer Großveranstaltung. Neuigkeiten rund um das Brachflächen-Thema werden ausgetauscht und Erfahrungen aus dem In- und Ausland vorgestellt. Der Brachflächen-Gipfel konnte bisher dreimal erfolgreich abgehalten werden.
Der ERDREICH Bodenpreis ist ein Award des Bundes. Er prämiert Maßnahmen für einen aktiven Bodenschutz und holt damit Initiativen von Privatpersonen, Gemeinden und Verbänden vor den Vorhang. Er wird in fünf Kategorien vergeben – eine davon ist „Flächenrecycling und Revitalisierung von Brachflächen“. Er wurde bisher jeweils im Rahmen des Brachflächen-Gipfels verliehen.
Bundesweite Vernetzung: Flächenrecycling passiert nicht von selbst – es werden sowohl Anreize als auch gesetzliche Änderungen benötigt. Die Kompetenzen dazu sind über Bundes- und Landesgremien verstreut. Daher treffen sich Fachleute aus diesen Gremien vierteljährlich zum Fachaustausch.
Fachgrundlagen: Der Brachflächen-Dialog setzt sich zum Ziel, österreichweite Fachgrundlagen rund um das Thema Brachflächenrecycling zu schaffen. Dies geschieht in moderierten Arbeitsgruppentreffen mit Expert*innen aus unterschiedlichen Bereichen. Folgende Produkte wurden bisher erstellt:
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Verhandlungen mit Eigentümer*innen von Brachflächen (in Arbeit)
Schauplätze sind Kooperationsveranstaltungen zwischen einer Forschungseinrichtung, den Eigentümer*innen von Brachflächen und dem Brachflächen-Dialog. Ziel ist es, die Potentiale eines Standortes umfassend zu untersuchen und allen regionalen Akteuren zugänglich zu machen, beispielsweise durch eine Abschlussveranstaltung oder durch ein Webinar. Dieses Format ist bereits zweimal gelungen, ein dritter Schauplatz ist aktuell in Arbeit:
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Ehemaliger Produktionsstandort für Badkeramik in Wilhelmsburg (NÖ)
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Ehemalige Textilfabrik in Hirschbach im Waldviertel (NÖ)
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Ehemalige Großtischlerei in Melk (NÖ)
Beratung. Bei einer Liegenschaft mit industrieller oder gewerblicher Vorgeschichte können Kontaminationen im Untergrund vorhanden sein und die Entwicklung behindern. Der Brachflächen-Dialog bietet Liegenschaftsentwicklern, Eigentümer:innen und anderen interessierten Institutionen (z.B. Gemeinden, Wirtschaftsagenturen) eine Erstberatung zur Beurteilung des Umweltzustandes von gewerblich oder industriell vorgenutzter Liegenschaften an.
Exkursionen. Die Besichtigung von Brachflächen vor Ort liefert neue Anregungen und ermöglicht es, mit Eigentümer*innen und Projektentwickler*innen direkt ins Gespräch zu kommen. Das Format wird in Kooperation mit Partnerorganisationen realisiert und wurde im April 2024 erstmals erfolgreich umgesetzt. 2025 werden zwei weitere Exkursionen stattfinden.
Resümée
Der Brachflächen-Dialog hat sich innerhalb von drei Jahren zu einer zentralen Plattform rund um das Thema Flächenrecycling entwickelt und wird auch weiterhin aktiv bleiben. Mit seinen regelmäßigen Aktivitäten wie dem Brachflächen-Gipfel, Webinaren, Bund-Länder-Treffen, Forschungskooperationen, der Best-Practice-Sammlung und der Unterstützung der Bundesförderung ist heute das Thema Brachflächen-Recycling in aller Munde. Aber es gibt noch viel zu tun! Nach neuestem Wissensstand verfügt Österreich neben mindestens 4.700 nicht genutzten Industrie- und Gewerbestandorten über eine noch viel größere Anzahl an kleinen innerörtlichen Leerständen. Ihre Wiedernutzung wird Österreich auch in Zukunft beschäftigen. Durch Wiedernutzung können viele Umweltziele gleichzeitig unterstützt werden, dazu zählen vor allem die Reduktion des Bodenverbrauchs, des nationalen Abfallaufkommens, des Materialverbrauchs und des Energieverbrauchs.
Kontakt
Für Anfragen an das Sekretariat des Brachflächen-Dialoges wenden Sie sich bitte an brachflaechen-dialog@bmluk.gv.at. Das Sekretariat des Brachflächen-Dialoges wird betrieben von Gundula Prokop und Sabine Rabl-Berger (beide Umweltbundesamt).
Der Brachflächen-Dialog wird vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft finanziert.